Ich will mich nicht mehr verstellen – über den Mut, echt zu sein
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Echtheit als Haltung
1. Wenn echt sein müde macht
„Sei einfach du selbst.“ Ein Satz, den wir alle schon gehört haben – und der in der Praxis selten einfach ist. Das heißt nämlich, dich mit dem zu zeigen, was gerade ist.
Auch wenn du dich gerade unsicher fühlst, auch wenn etwas noch unfertig ist. Auch wenn du weißt, dass du nicht perfekt bist. Und trotzdem tauchst du auf – das ist „Echt“. Und das kann ganz schön Angst machen.

2. Warum echt sein wirklich Angst machen kann
Leichter wird es übrigens nicht auf Knopfdruck.
Zumindest nicht sofort.
Denn wir sind alle gut darauf trainiert, zu wirken – nicht unbedingt zu sein.
Da läuft automatisch ein inneres Drehbuch:
sei freundlich, aber nicht zu weich.
sei kompetent, aber nicht zu forsch.
sei authentisch – aber bitte anschlussfähig.
Kein Wunder, dass „Echtsein“ Angst macht.
Denn sobald du dich wirklich zeigst, riskierst du etwas:
Du gibst zu, dass du nicht immer weißt, was richtig ist.
Dass du Fehler machst, zweifelst, schwankst.
Dass du manchmal einfach müde bist, zu funktionieren.
Und ja – oft ist das einfach unangenehm.
Du sagst etwas und es wird still. Oder jemand schaut komisch. Oder du merkst erst später, dass du dich verrannt hast.

Aber du weißt was? Sowas kann man aushalten. Und man merkt: Hey...ich hab mich gezeigt, und es ist nichts passiert. Ich hab was riskiert – und überlebt.
Das ist der Punkt, ab dem es leichter wird. Weil du mit jedem Mal merkst: Ich darf so sein.
Ich muss nichts vorspielen, um dazugehören zu dürfen. Und das lohnt sich, weil du dich ganz anders fühlst, wenn du echt bist.
Nicht unbedingt stärker – aber viel lebendiger. Freier. Und ehrlich gesagt: Das merken die Anderen natürlich auch.
Menschen spüren, wenn jemand da ist. Das ist anziehend – nicht perfekt, aber echt.
Echtheit hat auch nichts mit Dauertransparenz zu tun.
Sondern damit, dass du merkst, wann du dich verlässt –
und dass du dir das nicht mehr schönredest.
3. Entscheidungen
Manchmal entscheidest du dich trotzdem fürs Schweigen.
Und darauf kommt es an.
Nicht, dass du immer alles sagst –
sondern dass du weißt, wann du's tust und wann du's lässt.

Das Spannende ist:
Echt zu sein kostet am Anfang Überwindung – aber auf Dauer weniger Kraft.
Weil du keine Rolle halten musst.
Rogers würde sagen: Kongruenz entspannt das System.
Oder einfacher: Wenn du dich nicht dauerhaft selbst beobachten musst,
bleibt mehr Energie fürs Leben übrig.
4. Zum Weitergehen
Echtheit ist kein Dauerauftrag.
Sie zeigt sich in den Momenten, in denen du ehrlich bleibst,
auch wenn du dich gerade nicht heldenhaft fühlst.
Echt zu sein ist keine Übung, die man abhaken kann.
Es ist eher wie ein Muskel, den du trainierst und der sich daran erinnert.
Manchmal wirst du es merken, bevor du es handelst.
Manchmal erst danach.
Beides ist okay.
Und wenn du magst, nimm dir etwas als Erinnerung mit – einen kleinen Stein in der Tasche, eine Notiz im Journal, ein Schmuckstück, das dich erinnert:
Ich darf da sein, so wie ich gerade bin Ich muss nichts beweisen. Ich darf mich zeigen. Und das reicht.
Wenn dich dieser Text an etwas erinnert hat – an eine Situation, in der du echt warst oder es dich Mut gekostet hat – erzähl mir davon.